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TU Berlin untersucht Netze in Bezug auf Energiewende in EU

Europa könnte sich selbst mit erneuerbaren Energien versorgen
 
Wasserstoff- und Stromnetze könnten sich laut einer Studie zur Energiewende gut ergänzen
 
Einsparungen von 70 Milliarden Euro seien laut TU Berlin pro Jahr möglich – aber auch ohne Ausbau von Übertragungsnetzen wäre Energiewende in Europa machbar
 
Ein paralleler Ausbau von Wasserstoff- und Stromnetzen könnte nicht nur erneuerbare Energie aus den sonnigsten und windigsten Regionen Europas in die bevölkerungsreichen Industriezentren bringen, sondern wäre auch am günstigsten und könnte EU jährlich bis zu 70 Milliarden Euro einsparen.
 
Ein klug geplantes Wasserstoffnetz könnte dabei zu fast 70 Prozent aus vorhandenen Gasleitungen gebaut werden
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Anmerkung der  Redaktion:
Dies plant im Übrigen auch die Russische Föderation, nach den Plänen von Präsident Putin soll Russland weltweit der größte Anbieter von Wasserstoff werden und diesen über die Gaspipelines entsprechend exportieren. Hierzu veröffentlichte das SWP ebenfalls Berlin  2021 einen Artikel hier
Die Planungen waren 2020 aufgelegt worden nicht zuletzt da man Deutschland als Kunden im Auge hatte, nun wird Russland wahrscheinlich den Energiehunger Asiens sichern. Das sind im Grunde gute Nachrichten, dann wären Westeuropa (EU) Osteuropa (Russland Belarus) und Asien zukünftig mit Wasserstoff versorgt.
 
Wichtig wäre allerdings die Energie so günstig wie nur irgend möglich den Verbrauchern und Unternehmen anzubieten. 
 
Im März 2022 hatte Deutschland einen der höchsten Strompreise der Welt mit 0,46 USD je KWh 
Bei den Mitbewerbern auf dem Weltmarkt sah das ganz anders aus:
Japan bietet den Strom zum halben Preis an: 0,23 USD je kWh 
Die vereinigten Staaten als relevanter Referenzwert lagen bei 0,16 USD je kWh
Und die Staaten Russland, China mit 0,08 USD je kWh 
Indien und die Türkei sogar nur mit 0,07 USD je kWh 
 
Eine Energiewende die sich aus unendlicher erneuerbarer Energie speist ist nur erfolgreich wenn sie auch bezahlbar bleibt, wenn durch hohe Preise die Industrie abwandern muss ist nichts gewonnen, es muss im Gegenteil mit niedrigen Kosten die Ansiedelung von Industrie attraktiv gemacht werden. Hohe Energiepreise werden hohe Löhne und hohe Gesamtkosten zur Folge haben, das drückt alles auf die Wettbewerbsfähigkeit. Die Preise sind Folge der Gewinnerwartung der Energieunternehmen und der Staatlichen Besteuerung, die Chinesen wie die Türken kaufen wie wir die Gas- und Öllieferungen zu Weltmarktpreisen. Allerdings zahlen die Kundinnen und Kunden nur einen Bruchteil. Beispiel die EEG Abgabe geht an kommerzielle Betreiber von Windkraft- Sonnenenergie, da aber immer mehr Menschen selbst erneuerbare Energie gewinnen ist diese Abgabe inzwischen nicht mehr notwendig, im Grunde könnte man diese Abgabe auch an sich selbst auszahlen.
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Doch auch ohne jeglichen Ausbau der Übertragungsnetze wäre die Energiewende hin zu erneuerbaren Energiequellen möglich. Und das ohne Energieimporte. Dies sind die zentralen Ergebnisse einer umfassenden Modellanalyse der europäischen Energienetze durch Forschende der TU Berlin und der Universität Aarhus. Sie wurde am 12.07.2023 im Fachjournal „Joule“ veröffentlicht.
 
„Unsere Open-Source-Software mit dem Namen ‚PyPSA‘ ist ein Planungswerkzeug für Energiesysteme“, erklärt Dr. Fabian Neumann vom Fachgebiet „Digitaler Wandel in Energiesystemen“ der TU Berlin. Er begleitet die Entwicklung von PyPSA zusammen mit dem Fachgebietsleiter Prof. Dr. Tom Brown seit 2018. Ihr auf PyPSA basierendes Modell des europäischen Energiesystems verfügt über eine umfangreiche Datenbasis: Es kombiniert Wetterdaten, die für Solar- und Windenergie relevant sind, mit der Architektur der Energienetze in den verschiedenen Ländern und mit den verfügbaren Flächen für den Ausbau von Photovoltaik und Windenergie. „Dies beinhaltet auch die Regionen, in denen Wasserstoff in unterirdischen Salzkavernen gespeichert werden könnte, sowie die Standorte von Industrieanlagen, wo CO2 aus Industrieprozessen abgeschieden werden kann“, sagt Neumann. „So können wir bestimmen, was es braucht, um kosteneffizient bis spätestens Mitte des Jahrhunderts nicht nur den Stromsektor, sondern auch den Gebäudesektor, Mobilität und Industrie auf Netto-Null-CO2-Emissionen zu bringen.“
 
Das Modell optimiert dafür nicht nur die Standorte für die Stromerzeugung aus Wind und Sonne und den dazu passenden Netzausbau, sondern auch die Platzierung von Energiespeichern, Elektrolyseuren und Power-to-X-Anlagen, in denen CO2 mit Hilfe von erneuerbaren Energien in Kohlenwasserstoffe für die Industrie umgewandelt wird. Weil die Ergebnisse von PyPSA durch den Open-Source-Ansatz besonders transparent sind, wurde die Verwendung der Software auch kürzlich durch die EU-Kommission für die Bewertung von Wasserstoffprojekten ausdrücklich empfohlen.
 
Wirtschaftsministerium beschließt Ausbau eines zentralen Wasserstoffnetzes in Deutschland bis 2032
 
„Das Besondere an PyPSA ist, dass das Tool so entwickelt wurde, dass viele verschiedene Regionen und Wetterbedingungen gleichzeitig berücksichtigt werden können. Genau das, was man für die Modellierung der gesamteuropäischen Energiewende mit hohen Anteilen von Wind- und Solarstrom braucht“, sagt Fabian Neumann. „Unsere Studie erscheint nun gerade zum richtigen Zeitpunkt, denn das Wirtschaftsministerium hat kürzlich Pläne für den Ausbau eines deutschen Wasserstoffnetzes vorgelegt.“ Zuvor hatte bereits 2020 die europäische Gasindustrie einen Vorschlag für den sogenannten Europäischen Wasserstoff-Backbone gemacht, also ein Rückgrat an Leitungsinfrastruktur für eine mögliche Wasserstoffwirtschaft der Zukunft.
 
Gute Nachrichten für die Energiewende
 
„In unserer Studie haben wir vier verschiedene Netzausbauszenarien für ein CO2-neutrales europäisches Energiesystem betrachtet. Den ausschließlichen Ausbau des Stromnetzes, den alleinigen Aufbau eines Wasserstoffnetzes, den Ausbau beider Netze sowie den Fall, dass keinerlei Ausbau der Netzinfrastruktur stattfindet“, erzählt Neumann. Das überraschende Ergebnis: In allen vier Fällen wäre eine Energiewende hin zur ausschließlichen Versorgung mit Hilfe von erneuerbaren Energien machbar. Und das, obwohl keine Energieimporte von außerhalb Europas angenommen wurden. „Unsere Analyse zeigt außerdem, dass zwischen 64 und 69 Prozent eines zukünftigen Wasserstoffnetzes sinnvoll aus umgerüsteten Erdgasleitungen entstehen könnten, was natürlich Baukosten spart.“ Dieses Ergebnis würde sich auch recht gut mit den Annahmen im Wasserstoff-Backbone decken.
 
Am günstigsten wäre ein Ausbau von Strom- und Wasserstoffleitungen
 
Würde man nahezu vollständig auf erneuerbare Energiequellen umsteigen und dafür ausschließlich das Stromnetz in Europa ausbauen, könnte man gegenüber dem Szenario mit heutigem Netz sechs bis acht Prozent der gesamten Kosten für die Energieversorgung in Europa einsparen. Hierin sind auch schon die Kosten für den Ausbau des Stromnetzes mit eingerechnet, das sich dafür mehr als verdoppeln müsste. Die Einsparung ergibt sich vor allem daraus, dass die günstigsten Standorte für die Stromerzeugung aus Wind und Sonne genutzt werden könnten, der Strom auf dem direkten Weg an die dicht besiedelten Industriezentren mit hohem Verbrauch herangeführt würde und auch örtliche Schwankungen der Winderzeugung ausgeglichen werden könnten. „Irgendwo in Europa weht fast immer der Wind“, erklärt Neumann.
 
Würde man nur das Gasnetz in ein Wasserstoffnetz umwandeln und einige zusätzliche neue Wasserstoffleitungen bauen, wären Einsparungen von zwei bis drei Prozent der Gesamtkosten für das Energiesystem in Europa möglich. Der geringere Effekt erklärt sich dabei vor allem aus der Tatsache, dass für die Herstellung von grünem Wasserstoff der Strom aus Windkraft und Solaranlagen genutzt wird, der sonst direkt ins Stromnetz eingespeist werden könnte. Durch diesen zusätzlichen Umwandlungsschritt ergeben sich vermeidbare Energieverluste, sofern der Wasserstoff nicht sowieso weiterverarbeitet oder längerfristig in Salzkavernen gespeichert werden soll. Strom ist dagegen flexibler einsetzbar, zum Beispiel auch für den Betrieb von Wärmepumpen oder Elektroautos. „Am vorteilhaftesten wäre eine Kombination aus dem Ausbau von Strom- und Wasserstoffnetz“, erklärt Fabian Neumann. Geschickt kombiniert, wären so Einsparungen von bis zu zehn Prozent möglich. „Das Stromnetz müsste sich hierfür allerdings immer noch in etwa verdoppeln“, sagt Neumann. „Jedoch könnte dies mit höherer gesellschaftlicher Akzeptanz geschehen, wenn stark umstrittene Stromtrassen gegebenenfalls mit Hilfe des Wasserstoffnetzes umgangen werden könnten.“
 
Einsparungen von bis zu 70 Milliarden Euro – Energiewende aber auch ohne Netzausbau technisch umsetzbar
 
„Eine Einsparung von zehn Prozent entspräche etwa 70 Milliarden Euro pro Jahr in Europa“, rechnet Neumann vor. Und weil die gesellschaftlich tragfähigsten Lösungen für den Infrastrukturausbau aus einer Vielzahl an Alternativen gewählt werden könnten, würde sich möglicherweise der Prozess der Energiewende beschleunigen. „Die Baukosten sowohl für Strom- wie auch für Wasserstoffleitungen, vor allem bei Umbau der Erdgasnetze, fallen bei der Gesamtkostenrechnung nicht groß ins Gewicht, man kann hier also recht flexibel entscheiden.“
 
Forschungsergebnisse verdeutlichen Wichtigkeit einer integrierten Planung der europäischen Energiewende
 
Es werde immer wichtiger, den Ausbau von Energieinfrastruktur länder- und sektorenübergreifend zu koordinieren, betont Neumann. „Um Klimaneutralität kosteneffizient erreichen zu können, müssen die Standorte von Energieerzeugung, -transport, -umwandlung und -speicherung verstärkt integriert geplant werden, da sie stark voneinander abhängen.“ Dies ist eine zentrale Forderung der Forschenden an die Politik. Länder des südlichen Europas wie Spanien, Italien und Griechenland würden als Exporteure von Solarstrom oder Wasserstoff sehr von gut ausgebauten Netzen aus diesen Ländern in die europäischen Industrieregionen profitieren. Genauso könnten auch Anrainer der Nord- und Ostsee mit einer guten Netzanbindung auf Energieexporte aus Offshore-Windparks setzen. „Allerdings wäre es für Länder mit einer hohen Kapazität an erneuerbaren Energien auch eine Option, verstärkt energieintensive Industrien durch niedrige Energiepreise anzuwerben. Sie hätten dann wenig Interesse an einem ambitionierten Netzausbau.“ Die verschiedenen Interessen sollten also so miteinander vereinbart werden, dass alle von der Transformation des Energiesystems profitieren.
 
Zudem müssen insbesondere in Szenarien ohne Netzausbau Elektroautos, Wärmepumpen und Elektrolyseure flexibel auf Netzschwankungen reagieren können. „Dies setzt unser Modell voraus. Es bedarf also einer weitreichenden Digitalisierung des Energiesystems durch den flächendeckenden Einbau von Smartmetern und der Einführung von regionalen dynamischen Stromtarifen“, erklärt Fabian Neumann.
 

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